Nesrin und Sam, Das Musical-Tanztheater

Nesrin und Sam, Das Musical-Tanztheater

Zuerst sah es so aus, als würde sich niemand beteiligen. Das war vor fast einem Jahr. Heute sagt Patric: „Das schwierigste war die Disziplin, das Wichtigste der Zusammenhalt“, Hendrik der Tom spielte sagt: „Ich habe gelernt, mehr aus mir heraus zu kommen“, Miriam alias Angel meint: „Ich habe gelernt, nicht so schnell über Leute zu urteilen“. Die Zitatenliste der Darsteller von Nasrin und Sam könnte Seiten füllen. Das moderne Stück auf Basis des Klassikers „Nathan der Weise“ füllte das Haus im Park am Sonnabend und Sonntag mit Begeisterung.

Von Edwin Platt

Osterholz. 29 Beteiligte gehen durch ihre intensive Beschäftigung mit Lessings Bestseller „Nathan der Weise“, den sie auf ihre Lebenswelt übertragen haben und „Nesrin und Sam“ nennen, verändert aus einem Prozess hervor, in dem sie neun Monate lang Sonntags stundenlang diskutierten und probten. Das überzeugende, mitreißende Ergebnis ihrer Zusammenarbeit „Nesrin und Sam“ begeisterte hunderte Zuschauer.

Sabah Samaen, spielte als einziger Profi-Schauspieler unter 23 jugendlichen Darstellern aus dem Schweizer Viertel und Tenever den Nathan. Der weise Nathan trat gekonnt ins Stück und untermalte zeitgenössische laute Streitereien, gemeines Mobbing, durch kulturelle Schranken verbotene Liebe oder Vorurteile gegenüber vermeintlich andersartigen, mit philosophischen Weisheiten.

Nesrin ist eine von zwei Töchtern des Murat. Des Muslimen der Nesrin einen Ehemann ausgesucht hat und seinen Glauben lebt. Sam ist der Sohn von Ruth, die ihr Leben mit Tabletten runterschluckt. Sam glaubt nicht an jungfräuliche Geburt oder Erlösung durch Kreuzigung. Yussuf ist einer, der haltlosen Jungen-Gang und als Abgewiesener zu jeder Verleumdung bereit. Lou spricht für ihre Mädchen-Clique und provoziert lieber als nachzugeben.

Als Nesrin (gespielt von Bahar) Jussuf (Kevin) abweist und Justin (Rui) ihr die Handtasche mit Vater Murats (Yasar Kocas) Geld für die Autoreparatur stielt, nehmen die Geschehnisse ihren dramatischen Lauf. Nesrin eine Schlampe, sagt Jussuf, Sam mag es nicht glauben, doch das Gerücht wird mächtig. Ein Einbruch der Jungen-Gang bringt einem Polizisten Lebensgefahr. Angel erlebt wie Nesrin und Sam Freudlosigkeit im Elternhaus. Sie kommt bei ihren Freundinnen unter, als Vater ihre Mutter bis zur Bewusstlosigkeit schlägt. Annina (Sarah) möchte durch soziale Arbeit in armen Teilen der Welt ihrem Leben Sinn geben; für ihre Mutter eine Katastrophe.

Neben grandiosen, fast akrobatischen Tanzeinlagen und Choreographien die unerbittlichen Kampf um Macht zeigen und Songs die zu Herzen gehen, wenn persönliche Stimmungen und Gefühle einkehren, spielen David am Schlagzeug, Tobias an der E-Gitarre, Alehna an der Harfe, Barbara Wiegreffe am Bass und Femi Amin am Flügel ohne Aufdringlichkeit, aber mit Wucht, wo Eskalation oder Gefühlsausbrüche drohen.

Jede Handlung auf der Bühne, jeder Aufschrei, jeder Konflikt ist glaubwürdig. „Nathan der Weise“ ist durch Besucher des alkoholfreien Jugendcafé, der Waldorfschule, des Schulzentrum Koblenzer Straße und der Gesamtschule Ost und einige in Ausbildung befindliche Jugendliche aus elf Nationen, zu „Nesrin und Sam“ geworden. Zur Seite standen den Darstellern in schwierigen Prozessen, bei sonntäglichen Proben und Schullandheimaufenthalten Doris Mühlbacher vom Therapeutikum e.V., und Yasar Kocas, vom alkoholfreien Jugendcafé, die das Projekt in Kooperation begonnen hatten, Maria von Bismarck, Regiearbeit, Barbara Wiegreffe vom Lücke Projekt Tenever, Musik, Femi Amin, Singer und Songwriter, Gregor Dreykluft und Jessica van Dinther Tanz und Choreografie, Christina Duerkop vom Jugendcafé mit Yasar Kocas und Doris Mühlbacher in sozial-pädagogischen Begleitung.

Improvisationen der Jugendlichen zu Nathan der Weise führten durch Verschriftlichung von Maria von Bismarck zur lebendigen kraftvollen Jugendsprache der Akteure über reale Konflikte und deren Auflösungen zwischen familiären und religiösen Hintergründen des Islam und Christentum. Zur realen und gespielten Bewältigung der Vorurteilen von beispielsweise Waldorf Schülern und alkoholfreiem Jugendcafé Kunden, zum Lernen mit Neid, Hass und Gewalt einen versöhnlichen Umgang zu finden.

Ruth und Murat die alleinerziehenden Eltern unterschiedlicher Religionen,  Nesrin und Sam mit verschiedenen kulturellen Prägungen, die Jungen-Gang und die Mädchen-Clique kommen sich auf der Bühne näher und nahe ohne kitschig zu wirken. Nasrin alias Bahar liegt schwer verletzt und krank im Hospital. Sam an ihrer Seite trifft die Einsicht, dass Versöhnung eine Wende der Eskalation bedeuten kann. Murat erkennt das Gute in Sam, Ruth mag den Murat lieber als ihre Tabletten und da Sam Versöhnung mit der Gang sucht, können auch Mädchen versöhnlich werden.

Nathans weiser Schiedsspruch am Ende der Ringparabel, das nicht einer der drei Ringe (oder Religionen) der Richtige sein müsse, sondern jeder mit Sanftmut und Mitgefühl ob Jud, Christ oder Muselmann, ein jeder tue was er kann, diese Einsicht durch den Bühnen Nathan verkündet gibt Nasrin und Sam ein gelungenes Ende. Reichlich stehend bezeugter Beifall, Zugaben aus Tanz und Musik, beendeten die Prämieren Aufführung mit Feierlaune. „18 Jahre arbeite ich im alkoholfreien Jugendcafé. Ich dachte immer das muss ein Highlight haben. Das war heute“, beendet Yasar Kocas den Abend.

Zur Aufführung gelangte Nasrin und Sam mit WIN  und Los Mitteln des Schweizer Viertels, Therapeutikum Bremen, Alkoholfreiem Jugendcafé, Kultur Ambulanz und der Waldorf Schule.

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